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Die Geschichte der Stadt Rodgau und ihrer Stadtteile

Am 1. Januar 1977 entstand im Rahmen der hessischen Gebietsreform aus den Gemeinden Weiskirchen, Hainhausen, Jügesheim, Dudenhofen und Nieder-Roden und der zu Nieder-Roden gehörenden Siedlung Rollwald die Großgemeinde Rodgau, die am 15. September 1979 die Stadtrechte verliehen bekam. Die alte Gewannbezeichnung Rodgau, wie Bachgau und Kinziggau zum Maingau gehörend, gab der Stadt ihren Namen. Die ursprünglichen Gemeinden haben aber bereits eine viele hundert Jahre zurückreichende Geschichte.

Luftbilder

Stadtteil Weiskirchen

Spätestens in fränkischer Zeit entstand die Siedlung "Wichenkirchen" oder auch "Wizzinkirchin" um die uralte heutige Peterskirche herum, die dem Ort auch den Namen gab. Urkundlich wird der Ort erstmals 1287 erwähnt, als das Kloster Seligenstadt mit den Gemeinden der Auheimer Mark einen Vergleich schloss. Landesherren waren zunächst die Herren von Hagenhausen, die ihren Stammsitz in unmittelbarer Nachbarschaft im heutigen Hainhausen hatten. Als Herren von Eppstein - so ihr späterer Name - verkauften sie Weiskirchen 1425 an den Erzbischof von Mainz. Bis 1803 hat die Zugehörigkeit zum Mainzer Kurfürstentum die Gemeinde Weiskirchen entscheidend geprägt. Als kirchlicher Mittelpunkt für die Gemeinden Jügesheim, Hainhausen und Rembrücken hatte Weiskirchen überörtliche Bedeutung, und mit seinen fünf Mühlen im Rodgau auch eine wirtschaftlich herausragende Stellung.

Die nahe großherzogliche Fabrikstadt Offenbach brachte im 19. Jahrhundert den entscheidenden Wandel Weiskirchens vom Bauerndorf zu einer Arbeitergemeinde. Prägte noch bis zu Beginn dieses Jahrhunderts der Fachwerkbau das Bild der Gemeinde, wurden später die Fassaden durch Steinmauern ersetzt, mussten dann viele Fachwerkhäuser Neubauten weichen. Heute sind vom einst "schönsten Fachwerkdorf des Kreises Offenbach" nur noch spärliche Reste erhalten. Nach der Zeit des sogenannten 3. Reichs, die in Weiskirchen zur Auflösung und Vertreibung der kleinen jüdischen Gemeinde mit kleinem Bethaus an der Hauptstraße führte, kam es nach dem Krieg durch die Ansiedlung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen und die Ausweisung von weiteren Neubaugebieten und einem Industriegebiet zu erfolgreichem Wachstum.


Stadtteil Hainhausen

Erstmals im Jahre 1108 wird der kleinste Stadtteil von Rodgau urkundlich erwähnt, als Standort einer Wasserburg der Herren von Hagenhausen, deren Burggraben von der Rodau qespeist wurde. Nach einer geophysikalischen Prospektion 2010/11 stieß man bei Ausgrabungen 2012 auf Mauerreste dieser Burg unter einer Wiese nahe der Rodau an der heutigen Burgstraße. Das Geschlecht der Hagenhausener, die nach ihrer Übersiedlung in den Taunus als "Eppsteiner" ein Stück deutsche Geschichte des Mittelalters mitschrieben, erlangte vom 13. Jahrhundert an große Bedeutung und Macht. Die Herren von Eppstein stellten allein vier Erzbischöfe von Mainz. Der erste Stammsitz der Eppsteiner profitierte allerdings nicht vom Glanz der Nachfahren der einstigen Burgherren.

Seinen Tiefpunkt erlebte der Ort im Dreißigjährigen Krieg - und teilte damit auch das Schicksal der Nachbargemeinden -, als auch noch die Pest unter der Bevölkerung wütete. Das Ende der Plage, nachdem auch die letzten wenigen Überlebenden den Pest-Patron St. Rochus um Hilfe angefleht hatten, wird noch heute alljährlich mit einer Prozession - auch von Weiskirchen aus - gefeiert, und zwar am 16. August. Das Ziel der Prozession, die bereits 1692 geweihte Rochus-Kapelle, wurde  Ende des 19. Jahrhunderts durch den Neubau der Rochus-Kirche ersetzt, die  zuletzt Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts umfassend renoviert und erweitert wurde und ein historisches Kleinod mit Kunstschätzen in Rodgau darstellt.

Stadtteil Jügesheim

Entwickelten sich die übrigen vier Stadtteile von Rodgau aus Straßendörfern, wurde Jügesheim inmitten dieser Landschaft entlang der Rodgau als sogenanntes Haufendorf begründet. Erste urkundliche Erwähnungen reichen in die Zeit von 1189 bis 1220 zurück. Ein Vogt Karls des Großen mit Namen Gugin - oder auch Guginhart - soll der Ansiedlung seinen Namen gegeben haben. Im Mittelalter gehörte Jügesheim zum Zehntgericht Nieder-Roden und zur Rödermark. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war das Dorf nahezu ausgestorben. Die verbliebenen wenigen Familien hausten zeitweilig im Seligenstädter Wald. Erst in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert lebte der Ort wieder auf, in dem sich später neben der Landwirtschaft die Lederwarenindustrie - mit großem Anteil auch an Heimarbeitern - zur Blüte entwickelte.

Noch heute verfügt gerade Jügesheim in Rodgau über auch international bekannte Unternehmen dieser Branche, die den guten Ruf der "Offenbacher Lederwaren" begründen halfen. Zum Aufschwung um die Jahrhundertwende trug nicht zuletzt der Bau der Rodgau-Bahn im Jahre 1896 bei, der natürlich auch die übrigen Gemeinden mit an das Zentrum Offenbach/Frankfurt anschloss und die wirtschaftliche Entwicklung stark förderte. Noch heute wird in Jügesheim Landwirtschaft - vornehmlich von Aussiedlerhöfen in der West- und Ostgemarkung aus - betrieben. Das Gewerbegebiet im Osten wurde erst Mitte der siebziger Jahre ausgewiesen und im Jahre 1989 noch nach Süden erweitert. Mit dem Bau des neuen zentralen Rathauses im Ortszentrum von Jügesheim wurde die Stadt Rodgau der natürlichen Lage Jügesheims inmitten des neuen Gemeinwesens gerecht.

Stadtteil Dudenhofen

In einem Vergleich des Erzbischofs Werner von Mainz mit den Herren von Eppstein wird Dudenhofen im Jahre 1278 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort war lange Zeit geteilt, wobei einzelne Dorfteile vererbt, andere gegen Landbesitz anderweitig eingetauscht oder mit allen Einwohnern als Pfand vergeben wurden. Unter den Nachbargemeinden, den heutigen Stadtteilen, nahm Dudenhofen im Mittelalter eine besondere geschichtliche Entwicklung wahr. In den Jahren 1450 bis 1736 war Dudenhofen der Grafschaft Hanau und dem Amt Babenhausen zugeordnet. Das Schicksal des Dorfes war also eng mit dem von Babenhausen verknüpft.

Bis auf die alteingesessene jüdische Familie Reinhardt, die 1938 aus dem Ort vertrieben wurde,  war die Bevölkerung rein evangelisch orientiert. Dudenhofen bildete so etwas wie eine evangelische Enklave inmitten der ansonsten katholischen Nachbargemeinden im Rodgau. Rein landwirtschaftlich strukturiert bot der Ort im 18. und 19. Jahrhundert nicht mehr allen Einwohnern Lebensunterhalt, so dass vor allem junge Männer und auch Familien in die „Neue Welt" nach Nord-Amerika auswanderten und dort ihr Glück suchten und zum Teil auch fanden. Wenngleich noch heute eingebettet in Feldern und mit einem der größten Gemeindewälder Hessens gesegnet, hat die Landwirtschaft ihre Bedeutung in Dudenhofen verloren, gibt es dort keinen einzigen Vollerwerbshof mehr. Einzig der Spargelanbau auf dem dafür gut geeigneten sandigen Boden hat sich behauptet. Dudenhöfer Spargel gilt als Spezialität. Einzigartig auch bis heute das kulturelle Vereinsleben in Dudenhofen und der Zusammenhalt der Dudenhöfer.

Stadtteil Nieder-Roden

Der Name des heute mit Abstand größten Rodgauer Stadtteils könnte auf die „Siedlung auf einer gerodeten Aue" zurückgehen, wahrscheinlicher jedoch auf  die den Ort durchfließende Rodau (früher Rotaha = Rotes Wasser), die bei Urberach im Rotliegenden entspringt und sich früher bei Hochwasser rot färbte. Die erste urkundliche Erwähnung erfuhr Nieder-Roden im Jahr 786, als das Kloster Rotaha dem Kloster Lorsch vermacht wurde. Über den Standort des einstigen Klosters in der Nähe der Rodau im Bereich des heutigen Nieder-Roden und Ober-Roden - Stadtteil der Nachbarstadt Rödermark - gibt es allerdings bis heute keine schlüssigen Erkenntnisse. Doch belegen Funde, dass Nieder-Roden bereits in den Jahrhunderten vor Christi Geburt Siedlungsraum war. Ein Teil dieser Funde, Zeugen einer vielleicht großen prähistorischen Vergangenheit, gehört zum Ausstellungsgut des Heimatmuseums in der Turmstraße.

Nieder-Roden gelangte im Mittelalter zu großer Bedeutung unter anderem als Sitz des Zehntgerichtes und gehörte von 1425 bis 1803 zum Erzbistum Mainz. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Nieder-Roden die unter den Rodgauer Nachbargemeinden wohl dynamischste Entwicklung. Von knapp 3.000 Einwohnern noch in den fünfziger Jahren wuchs Nieder-Roden um mehr als 10.000 Einwohner auf jetzt rund 14.000 Einwohner. Neben großen Wohngebieten westlich der Bahn wurde im Osten zu dem kleinen auch noch ein großes Industriegebiet mit Gleisanschluss und in direkter Nähe zur neuen Bundesstraße B 45 ausgewiesen, in dem sich auch Weltfirmen wie die IBM ansiedelten. Als einzigste der Rodgauer Gemeinden gehörte Nieder-Roden bis zur Gebietsreform im Jahre 1977 zum Kreis Dieburg, während die nördlich gelegenen vier Nachbarkommunen dem Kreis Offenbach zugeordnet waren, dem heute auch die Stadt Rodgau angehört. Der Ortsteil Rollwald entstand erst nach dem Krieg zum Teil auf dem Gelände eines dort während des nationalsozialistischen Regimes eingerichteten Straf- und späteren Gefangenenlagers.

Über die Grenzen Rodgaus hinaus bekannt wurde Nieder-Roden nicht nur durch die 400 Meter lange und im Volksmund „Chinesische Mauer" genannte Hochhauswand, sondern vor allem durch den Badesee, der aus einem Kiessee zu einem beliebten Strandbad mit FKK-Teil ausgebaut wurde und auch noch vergrößert wird.